22. Juni 2021
Jetzt ist es gut!
Tanja Windisch-Hlinomaz
Ing. Tanja Windisch-Hlinomaz
wurzelte in Kirchberg a.d.R., Querdenkerin, weitblickend und kreative Marketingexpertin.
Bis zu dem Punkt an dem du erfährst, dass du ohne medizinische Hilfe nie ein leibliches Kind haben wirst. Also startet ihr als Paar eure IVF-Reise und seid davon überzeugt: ihr seid das Paar bei dem es sofort klappen wird. Der erste Anlauf war negativ – all die Hormone und bangen Tage umsonst. Der zweite Anlauf dafür war dann noch viel schlimmer! Ein positiver Test, aber schlechte Blutwerte – wider besseren Wissens hofft man auf ein Wunder, nur um dann am Heiligen Abend eine Fehlgeburt zu erleiden. Was habe ich mit mir gehadert, wie wütend war ich auf Gott – bis uns der Gedanke kam: um Eltern zu werden muss das Kind kein leibliches sein. Es muss Paare geben wie uns, damit jene Kinder die (noch) keine Eltern haben uns finden können.
Daraufhin starteten wir unsere Adoptions-Reise. Ein Frühling voller Kurse – wer wusste schon, dass man Workshops machen muss um Mama und Papa werden zu dürfen?! Wir jedenfalls nicht! Mit vielen anderen Paaren haben wir uns so über Monate auf die erhoffte Elternschaft vorbereitet – wir erfuhren Dinge über das Adoptionswesen, über uns als Personen und über die möglichen Adoptivkinder, die wir nie so genau wissen wollten. Und trotzdem: es gibt vielleicht nicht Vieles das uns besser darauf vorbereitet hat Eltern zu sein. Zu hinterfragen warum wir das eigentlich wollen. Sich einzugestehen, dass der Wunsch nach einem Kind immer in erster Linie ein egoistischer ist. Festzustellen, wieviel man bereit ist zu riskieren um sich diesen Wunsch zu erfüllen!
Nach unserem zweiten IVF Versuch konnte ich aber nie ganz abschließen. Es fehlte noch etwas um mich ganz auf eine Adoption einlassen zu können und so starteten wir den dritten Anlauf. Als Abschluss bevor wir offiziell im Adoptivwerberpool aufgenommen werden sollten! Mein Arzt kannte mich schon, und neben dem üblichen Hormoncocktail musste ich dieses Mal auch noch Cortison und Blutverdünner spritzen – man gönnt sich ja sonst nichts.
Nach bangen Wochen wieder ein positiver Schwangerschaftstest und zuerst ein guter HCG Wert laut Blutbefund – um zwei Tage später zu erfahren: der Wert ist wieder kaum gestiegen. Nochmal derselbe Albtraum! Mein Arzt hat mich am Telefon regelrecht angefleht die Medikamente noch nicht abzusetzen, da Biologie keine exakte Wissenschaft sei und er ein paar Tage später den Bluttest wiederholen wollte.
Eines der schwersten Wochenenden meines Lebens stand mir bevor, denn wir mussten „schwanger nicht schwanger“ zur Hochzeit meiner Cousine fahren. In der Kirche die Predigt des Pfarrers über den Segen von Kindern – der Moment in dem ich nochmal mit Gott ein privates (und zugegeben zorniges) Zwiegespräch führte und ihm sagte es sei seine letzte Chance wenn er will, dass wir unsere Gene weitergeben. Er scheint mich gehört zu haben, denn direkt am Montag erfuhren wir dann, dass die Werte über das Wochenende nahezu explodiert sind. Die Erklärung dafür dürfte sein, dass sich zuerst zwei Eizellen eingenistet hatten, eine es aber nicht geschafft hatte.
Da wir einen Sinn für Dramatik haben, blieb das aber natürlich nicht der spannendste Moment. Der kam dann kurz darauf beim ersten Ultraschall als wir erfuhren: da ist ein Embryo – aber es ist eine anguläre Schwangerschaft (vereinfacht gesagt: direkt am Eingang des Eileiters im Winkel des Uterus – haarscharf keine ektope Schwangerschaft) und der Arzt weiß nicht, ob wir sie fortsetzen können. Also mussten wir zu einem Spezialisten und durften schon sehr früh unseren ersten 3D Ultraschall erleben – den perfekten Herzschlag sehen. In dem Moment wusste ich, egal wie gefährlich es für mich werden würde, für diesen Herzschlag gebe ich mein Leben.
Und wieder wurden wir belohnt und alles entwickelte sich in die richtige Richtung bis es kurz darauf Entwarnung gab. Es folgten tatsächlich ein paar Wochen entspannter Schwangerschaft! Dann wurde schon sehr früh eine beginnende Schwangerschaftsvergiftung festgestellt und ich musste schon bald Blutdrucksenker nehmen. Zuletzt 3 verschiedene gleichzeitig. Schwangerschaftsdiabetes hatte ich natürlich auch… Und unser Wunder war immer sehr viel kleiner als es der Schwangerschaftswoche entsprochen hätte.
Letzten Endes entgleiste dann im Babymoon mein Blutdruck und ich musste ins Krankenhaus, wo dann eine Woche später nach kurzer Entlassung (ich war etwa 5 Stunden zuhause) an 34+0 ein Notkaiserschnitt erfolgen musste. Dramatik bis in die Zielgerade!
Und dann war sie da! So winzig, dass ihr die Krankenhaus-Babykleidung in Größe 50/56 viel zu groß war! Wir mussten in der Frühchenabteilung Größe 42 kaufen und Windeln online bestellen, weil Mikrowindeln in Größe 0 (die ihr fast passten – man musste sie nur einmal umschlagen!) im Handel nicht existieren.
Ein so kleines Bündel Leben – eine so große Liebe! All die Jahre, die uns zu ihr geführt hatten machten plötzlich Sinn! Alle Behandlungen, alle Kosten, alle zugenommenen Kilos, alle vergossenen Tränen – in diesem Moment waren sie nicht vergessen, sondern genau richtig! Und jedes Jahr am Heiligen Abend danke ich dem Kind, das wir verloren haben, dass es uns unser Wunder geschickt hat. Zur richtigen Zeit, mit der richtigen Geschichte – denn nur so konnten wir über uns hinauswachsen und die Eltern werden, die wir immer sein sollten!
Eine Freundin hat irgendwann gefragt, ob es den Kampf wirklich wert war. Ohne Erfolgsgarantie so viel zu riskieren, bis hin zur eigenen Gesundheit, wenn man doch vorher auch glücklich war. Ich kann das nicht für andere beantworten, denn ein Kind ist keine Voraussetzung für Glück! Darf es gar nicht sein, denn diese Verantwortung kann und soll niemand tragen müssen.
Manchmal ist es mutiger zuzugeben, dass man es gar nicht möchte! Manchmal ist es mutiger einen Kampf zu beenden als um jeden Preis weiterzumachen! Manchmal wird dieser Kampf nicht gewonnen und man verliert womöglich viel von sich selbst.
Egal ob es um einen Kinderwunsch, eine Ehe, einen Job, oder anderes geht: am Ende muss man einfach wissen wann es soweit ist eine Entscheidung zu treffen und mutig im einen oder im anderen Tonfall zu sagen „Jetzt ist es gut!“.